„Multitasking“ ist ein Mythos
Wer beim Fahren „noch schnell etwas erledigt“, bringt sich und andere in Gefahr. Nach Erkenntnissen der Dekra-Unfallforschung ist das sogenanntes „Multitasking“ ein Mythos – in Wahrheit wechseln Menschen dabei nur sehr schnell zwischen Aufgaben hin und her, anstatt sie gleichzeitig zu erledigen. Diese kurzen Unterbrechungen reichen aus, um wichtige Reize im Straßenverkehr zu übersehen. Schon eine Sekunde Ablenkung bei 80 km/h bedeutet rund 22 Meter Blindfahrt, bei 50 km/h sind es immerhin 14 Meter. In dieser Zeit kann ein Kind auf die Straße laufen, ein vorausfahrendes Fahrzeug abbremsen oder eine Kurve beginnen – ohne dass der oder die Fahrende rechtzeitig reagiert.
Besonders häufig sind Ablenkungen durch Smartphones, Bordcomputer, Navigationssysteme oder Gespräche im Fahrzeug. Die Dekra-Untersuchungen zeigen: Das Unfallrisiko steigt in solchen Situationen im Schnitt um rund 50 Prozent. Selbst ein kurzer Blick auf eine eingehende Nachricht oder ein Antippen des Displays genügt.
Fahrzeugmenüs werden immer komplexer
Auch das Bedienen von Touchscreens oder Multifunktionssystemen kostet wertvolle Sekunden. Die Prüfer beobachten, dass die Menüs vieler Fahrzeuge komplizierter werden, während die Zahl der physischen Tasten abnimmt. Wer etwa einen Radiosender oder eine Klimafunktion über ein Menü sucht, hat häufig mehrere Sekunden den Blick von der Straße abgewandt – mit entsprechend höherem Risiko. Häufige Ursachen für Ablenkung sind neben defekten oder schwer erreichbaren Bedienelemente vor allem laute oder emotionale Gespräche, das Greifen nach Gegenständen sowie Essen oder Trinken am Steuer. Gerade bei langen Fahrten oder dichter Verkehrslage führen solche Nebenbeschäftigungen schnell zu Reaktionsverzögerungen.
Hohe Dunkelziffer
Auch in der Statistik zeigt sich das Ausmaß: 2024 verzeichnete die Polizei 8.722 Ablenkungsunfälle – ein Zuwachs gegenüber den Vorjahren. 106 Menschen verloren dabei ihr Leben, 1.572 wurden schwer und 11.000 leicht verletzt. Seit 2021 weist die Statistik Ablenkung als Unfallursache separat aus. Fachleute gehen davon aus, dass die Dunkelziffer noch deutlich höher liegt, da viele Ablenkungsursachen nach einem Unfall schwer nachweisbar sind.
Zum Hintergrund: Die Straßenverkehrsordnung verbietet die Nutzung elektronischer Geräte, wenn sie während der Fahrt in der Hand gehalten werden. Erlaubt ist nur die Bedienung über Freisprechanlagen oder Sprachsteuerung, wenn der Blick auf die Straße gerichtet bleibt. Bei Verstößen drohen Bußgelder ab 100 Euro und ein Punkt in Flensburg, bei Gefährdung 200 Euro, zwei Punkte und ein Monat Fahrverbot. Die Dekra empfiehlt, alle Einstellungen wie Sitz, Spiegel, Licht, Navi und Radiosender vor Fahrtantritt vorzunehmen. Smartphones sollten während der Fahrt außer Reichweite liegen. Auch Gespräche, die emotional aufwühlen oder ablenken, sollten vermieden werden. In Miet- oder Carsharing-Fahrzeugen ist es sinnvoll, sich vor dem Start mit den wichtigsten Funktionen vertraut zu machen – etwa mit Blinker, Scheibenwischer oder Warnblinker.
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