Branchenkonferenzen Seeschifffahrt

"Asbest an Bord – was tun?"

Branchenkonferenz Seeschifffahrt am 10. März 2021 (online)

Asbest mit Warndreieck
Branchenkonferenz Seeschifffahrt

Die Branchenkonferenz Seeschifffahrt „Asbest an Bord – was tun“ fand unter besonderen Umständen statt. Durch die Eindämmungsmaßnahmen zur Corona-Pandemie konnte die Konferenz nicht wie gewohnt als Präsenzveranstaltung stattfinden, sondern wurde erstmalig in einem Onlineformat durchgeführt. 

Die mögliche Gefährdung von Versicherten durch Asbestfasern an Bord von Seeschiffen ist noch lange nicht gelöst. Das zeigen Asbestfunde sogar auf Schiffen neuen Baudatums, denen die Bauwerften bescheinigt haben, dass bei ihrem Bau kein Asbest oder keine asbesthaltigen Produkte verwendet wurden. Fast 200 Teilnehmende informierten sich online auf der Branchenkonferenz Seeschifffahrt der BG Verkehr über gesundheitliche Folgen, die Rechtslage und Sanierungsmöglichkeiten.

Zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes von Beschäftigten auf Abwrackwerften wurden auf internationaler Ebene Vorschriften erlassen, die für jedes Schiff die Erstellung und Mitführung eines vom Flaggenstaat zertifizierten Verzeichnisses der an Bord verbauten gefährlichen Materialien verbindlich vorschreibt. Bei der Erstellung der Verzeichnisse im Rahmen dieses Prozesses wurden auch Asbest oder asbesthaltige Materialien entdeckt. Dadurch werden die an Bord tätigen Besatzungsmitglieder gefährdet.

Auf Schiffen unter deutscher Flagge ist die Verwendung von Asbest oder asbesthaltiger Produkte bereits seit dem 01. Juli 1990 durch die Unfallverhütungsvorschriften für die Unternehmen der Seeschifffahrt (UVV See) verboten.
Auf internationaler Ebene ist die Verwendung von Asbest oder asbesthaltiger Materialien auf Handelsschiffen durch das SOLAS-Übereinkommen seit dem 1. Januar 2011 weltweit untersagt.

Asbest und asbesthaltige Materialien wurden auf Schiffen vorwiegend als Brand- und Hitzeschutzisolierungen sowie als Dichtungsmaterial verwendet. Die krebserzeugende Wirkung inhalierter Asbestfasern auf das menschliche Lungengewebe ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt. Aufgrund wissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse fanden die berufsbedingten, durch Asbest verursachten Erkrankungen Eingang in die Berufskrankheiten-Verordnung. Noch heute sterben mehr Versicherte der gesetzlichen Unfallversicherung an den Spätfolgen von Asbest als an Arbeitsunfällen.

Die unerwarteten Asbestfunde stellen Reedereien wie Aufsichtsbehörden gleichermaßen vor erhebliche Probleme. In einigen Fällen mussten asbestbelastete Schiffe aufgrund ihrer ursprünglichen Herkunft wieder nach Deutschland zurückgeflaggt werden. Die Anwendung nationaler Arbeitsschutzvorschriften, die Einbeziehung fachkundiger Berater sowie die Entwicklung und Umsetzung von Sanierungskonzepten können erhebliche Herausforderungen darstellen. Die Branchenkonferenz knüpfte an diese Fragestellungen an und zeigte grundsätzliche Lösungswege auf.

Teilnehmende

  • Vertreterinnen und Vertreter von Reedereien, Bordpersonal, Klassifikationsgesellschaften
  • Expertinnen und Experten aus Ministerien, Aufsichtsbehörden, Verbänden, Unfallversicherungsträgern und internationalen Arbeitsschutzbehörden

Vorträge

Nach eine fachlichen Einführung in das Thema durch den Präventionsleiter der BG Verkehr, Dr. Jörg Hedtmann, beleuchteten verschiedene Experten in sechs Vorträgen die Bedeutung des Themas aus den folgenden Gesichtspunkten: Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Bedeutung für die Versicherten, Asbestfunde an Bord von Seeschiffen, fachkundige Ermittlung von Asbestbelastungen sowie rechtliche Grundlagen im Zusammenhang mit der Rückflaggung von Schiffen und Zuständigkeiten der BG Verkehr in diesem Bereich. Im Anschluss an ihre jeweiligen Vorträge beantworteten die Experten Fragen aus dem Kreis der Teilnehmenden, die diese über die Konferenzsoftware stellen konnten.

Vortragende Vortragstitel
Dr. Markus Mattenklott, IFA der DGUV Verwendung und Gefährdung durch Asbest früher und heute
Gerhard Aulbert, DNV GL SE Asbestfund bei Zertifizierung der Hong-Kong-Konvention und der EU Schiffsrecycling Richtlinie
Volker Utzenrath, Exag GmbH Asbestfunde an Bord – Erfahrung aus der betrieblichen Praxis
Peter Kunzendorf, GSA Ratingen Fachkundige Ermittlung – Die Aufgabe des Asbest-Sachverständigen
Armin Steinhoff, Amt für Arbeitsschutz Hamburg
Die Rückflaggung asbestbelasteter Schiffe aus Sicht der Marktüberwachung im Chemikalienrecht

Tilo Berger, Dienststelle Schiffssicherheit, BG Verkehr
Stephan Schinkel, Geschäftsbereich Prävention, BG Verkehr
Aufgaben der BG Verkehr – Die Dienststelle Schiffssicherheit und der Geschäftsbereich Prävention

Erkenntnisse

  • Asbest kann schwerwiegende Gesundheitsschäden hervorrufen.
  • Auf Schiffen unter deutscher Flagge ist der Einbau oder die Verwendung von Asbest oder asbesthaltigen Stoffen bereits seit dem 01. Juli 1990 untersagt – international gilt dieses seit dem 01. Januar 2011.
  • Trotz des Verwendungsverbotes von Asbest oder asbesthaltiger Stoffe werden diese auch heute noch an Bord von Seeschiffen vorgefunden. Das trifft auch auf Schiffe neuesten Baudatums zu. Häufige Fundorte sind:
    • Isoliermaterial
    • Dichtungsmaterial
    • Kabeldurchführungen
    • Wand- und Deckenverkleidungen
    • Bremsbeläge
  • Erfahrene Asbestsachkundige bzw. -sachverständige helfen dem Betrieb, praktikable Lösungen zu finden und mögliche Folgeschäden auszuschließen.
  • Asbestsanierungsarbeiten dürfen nur durch Fachunternehmen durchgeführt werden.
  • Für Unternehmerinnen und Unternehmer betroffener Reedereien ergeben sich umfangreiche Handlungspflichten, die die BG Verkehr in der Zusammenstellung der Handlungspflichten eines Reeders beim Betrieb eines asbestbelasteten Schiffes zusammengefasst hat. Dazu zählen z.B.:
    • Gefährdungsbeurteilung nach § 6 Gefahrstoffverordnung durch eine sachkundige Person
    • Erstellung eines Asbestkatasters
    • Ermittlung der Asbestfaserkonzentration durch eine akkreditierte Messstelle
    • Sachkundige Festlegung des Bedarfs und Umfangs einer Asbestsanierung
    • Unterweisung der Besatzung
    • Arbeitsmedizinische Vorsorge
    • Anzeigepflichten
    • Informationspflichten gegenüber Auftragnehmerinnen und Autragnehmern
  • Bei dem Vorhandensein von Asbest müssen Dringlichkeit und Umfang erforderlicher Sanierungsmaßnahmen festgelegt werden. Dabei bietet sich eine Vorgehensweise entsprechend der Technischen Regeln für Gefahrstoffe TRGS 519 an.
  • Asbesthaltige Materialien, wie z.B. eingebaute asbesthaltige Dichtungen, stellen häufig im Schiffsalltag zunächst keine unmittelbare Gefährdung dar. Problematisch ist jedoch, wenn bei deren Ausbau im Regelbetrieb – ggf. unter Zeitdruck oder aus Unwissenheit – ungeeignete Verfahren eingesetzt werden. Um unkontrollierte Freisetzungen von Asbestfasern auszuschließen, sollte der Austausch deshalb aktiv geplant und kontrolliert umgesetzt werden.
  • Beim Vorliegen von schwach gebundenem Asbest, z.B. in Form von Isolierwolle, stellt Asbest eine akute Gefährdung dar. Hier ist eine Sanierung durch ein Fachunternehmen erforderlich. Erforderliche Schutzmaßnahmen bei dessen Ausbau, wie z.B. das Herstellen eines Unterdrucks im Sanierungsbereich, sind an Bord ein Problem, das aber von erfahrenen Fachbetrieben gelöst werden kann.
  • Im laufenden Schiffsbetrieb sollte reedereiseitig verstärkt darauf geachtet werden, dass kein asbesthaltiges Material z.B. durch Ersatzteile, Dichtungs- oder Isoliermaterial bei „Sparepartlieferungen“ oder Werftzeiten an Bord gelangt.

Aufgaben der BG Verkehr in der Seeschifffahrt

Asbest aus arbeitsmedizinischer Sicht

Asbest an Bord – noch lange nicht ausgestanden

Zusammenstellung der Handlungspflichten eines Reeders beim Betrieb eines asbestbelasteten Schiffes

"Ladungsbrände auf See - Gibt es Verbesserungspotential bei der Brandvermeidung und Brandbekämpfung durch Reeder und Besatzung?"

Branchenkonferenz Seeschifffahrt am 27. Oktober 2017

Löscharbeiten auf Containerschiff

© www.hasenpusch-photo.de
Immer länger, immer größer: Die Ladekapazitäten von Containerschiffen sind innerhalb nur weniger Jahre enorm gestiegen. Mit der Größe wächst aber auch das Brandrisiko: Oft haben die Schiffsriesen leicht brennbare oder gar selbstentzündliche Stoffe geladen, ohne dass dies aus den Frachtpapieren ersichtlich ist. Bricht ein Feuer aus, werden Mannschaft und Offiziere auf eine harte Probe gestellt. Selbst bestmöglich qualifizierte Seeleute haben nur dann eine Chance, wenn ein Brand frühzeitig erkannt wird.

In Plenumsvorträgen und zwei Workshops tauschten sich die Teilnehmer darüber aus, wie Brandvermeidung und Brandbekämpfung verbessert werden können und ob die Vorkehrungen noch den aktuellen Standards entsprechen.

Teilnehmende

  • Vertreterinnen und Vertreter von Reedereien, Bordpersonal, Forschungseinrichtungen, Feuerwehren, Sachversicherern
  • Expertinnen und Experten von Aufsichtsbehörden und Verbänden

Plenumsvorträge

In fünf Impulsvorträgen beleuchteten verschiedenen Experten am Vormittag die Sicherheitslage auf Containerschiffen, die Ursachen von Ladungsbränden, die Risiken durch nicht oder falsch deklariertes Gefahrgut, die speziellen Bedingungen und Erfordernisse bei der Brandbekämpfung auf See sowie aktuelle und zukünftige Feuerlöschsysteme.

Workshops

Workshop 1: "Brandvermeidung an Bord – Wie können Risiken durch falsch oder nichtdeklarierte gefährliche Güter in Containern reduziert werden?"

Teilnehmer Workshop 1

Eine wirksame Brandvermeidung an Bord ist nur möglich, wenn die gefährlichen Eigenschaften der Ladung bekannt sind. Oft sind Container, die Gefahrstoffe enthalten, nicht entsprechend gekennzeichnet. Es gibt aber weder ausreichende internationale Übereinkommen für Kontrollen in den Ländern, aus denen die Güter versendet werden, noch die technische Ausrüstung und Infrastruktur. Die Workshop-Teilnehmer diskutierten Möglichkeiten, wie sich das Wissen über Frachtinhalte verbessern lässt.

Erkenntnisse, Vorschläge, Forderungen:

  • Überprüfung der vorhandenen Informationen auf Plausibilität, z.B. von Gewicht und Schwerpunkt (technische Möglichkeiten aber noch nicht vorhanden)
  • Weiterentwicklung von internationalen Übereinkommen
  • standardmäßige Ausstattung von Containern mit Branderkennungssensoren
  • besondere Sicherheitsmaßnahmen für den Transport von leicht polymerisierbaren Ladungen international festlegen, wie z.B. spezielle Staupositionen entfernt von Wärmequellen
Workshop 2: "Brandbekämpfung – Werden die aktuellen Standards für Ausrüstung und Ausbildung den absehbaren Herausforderungen eines Schiffsbrandes gerecht?"

Teilnehmer Workshop 2

Innerhalb der letzten 12 Jahre haben Schiffsgrößen eine rasante Entwicklung durchgemacht. Mit ähnlicher Geschwindigkeit entwickelte sich die Vielfalt der transportierten Güter und der zugehörigen chemischen Eigenschaften. Moderne Containerschiffe bergen nicht nur eine größere und potenziell gefährlichere Brandlast. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein in Brand geratener Container schwer zu erreichen ist, hat sich erhöht. Die Anforderungen an die Ausbildung der Besatzung und die Ausrüstung der Schiffe zur Brandbekämpfung sind jedoch nahezu unverändert geblieben.

Erkenntnisse, Vorschläge, Forderungen:

  • standardmäßige Ausstattung von Hochseeschiffen mit Löschmonitoren an verschiedenen Stellen, mit denen Brände in den heutigen Containerstapeln bekämpft werden können
  • Verbesserung der Anlagen zur Branddetektion zur rechtzeitigen Entdeckung von Ladungsbränden
  • Anpassung der vorgeschriebenen Mindeststandards in Bezug auf den Brandschutz und die Feuerlöschsysteme über die Internationale Maritime Organisation
  • Verbesserung der Qualifikation in Brandbekämpfungstaktik, intensiveres praktisches Training

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