Gefahrgutfahrzeuge

Fahrzeuge, die zur Beförderung von Gefahrgut bestimmt sind, müssen besonderen Sicherheitsanforderungen genügen. Das Versagen von Bremsen als Unfallursache für das Unglück von Herborn im Juli 1987 hat der Entwicklung der Gefahrgutvorschriften einen großen Schub gegeben.

Lkw von der Seite betrachtet

Überblick zu Gefahrgutunfällen

Gemäß der letzten großen statistischen Auswertung der Gefahrguttransporte wurden 2016 knapp 150 Millionen Tonnen Gefahrgut auf deutschen Straßen befördert. Über 90 Millionen Tonnen betrafen entzündbare flüssige Stoffe. Das sind einerseits Kraft- und Brennstoffe, andererseits aber auch Zwischenprodukte für die Industrie.

Insgesamt haben sich nach der Unfallstatistik des Bundesamts für Straßenwesen 2016 über 40.000 Unfälle unter Beteiligung mindestens eines Fahrzeuges mit Gefahrgut an Bord ereignet. Dem BAG meldepflichtige Ereignisse wegen Gefahrgutaustritts lagen 2016 nur 80 Fälle vor.

Gefahrguttransporte: Daten zu 2016 (Statistisches Bundesamt Verkehr Fachserie 8 Reihe 1.4 (PDF)

Straßenverkehrsunfälle beim Transport gefährlicher Güter (Bundesamt für Straßenwesen 2018, PDF)

Fahrzeuge zur Gefahrgutbeförderung

Gemäß Begriffsbestimmung der GGVSEB gelten als Fahrzeuge alle Güterbeförderungsmittel, die bauartbedingt eine Höchstgeschwindigkeit über 25 km/h haben. Dazu gehören auch 2- und 3-rädrige Fahrzeuge und selbstfahrende Bau- und sonstige Arbeitsmaschinen sowie Anhänger zu allen Fahrzeugtypen. Hier geht das deutsche Recht über das ADR hinaus.

Fahrzeuge, die ausschließlich zur Beförderung von Versandstücken der Klassen 2 bis 8 vorgesehen sind, brauchen keine gesonderte Zulassungsbescheinigung als nach der Straßenverkehrszulassungsverordnung gefordert. Das gilt auch für die Beförderung von Schüttgutcontainern unter 1 m³, Intermediate Bulk Container (IBC) und Großverpackungen.

Sonderfall: Werkstattwagen und Gasflaschen

Kastenwagen werden gern von Handwerkern benutzt, um Werkzeug und Ausrüstung, wie Gasflaschen, zum Auftragsort zu transportieren. Die hierfür benötigten Mengen an Gefahrgut können fast immer unter Freistellungsbedingungen befördert werden. Das heißt, es findet ein nicht kennzeichnungspflichtiger Transport ohne Anforderung an das Fahrzeug statt.

Aufgrund der Gefährdungssituation bei potenziellen Unfällen sollten Gasflaschen z. B. für Schweißarbeiten nur in offenen oder belüfteten Fahrzeugen befördert werden. Weist der Kastenwagen keine Belüftung auf bzw. kann nicht nachgerüstet werden, darf der Wagen für die Beförderung von Gasen nur benutzt werden, wenn in der Gefährdungsbeurteilung ausgeschlossen wird, dass von den im Fahrzeug beförderten Gasen eine Gefahr ausgeht. In der Gefährdungsbeurteilung muss auch der Fall eines Unfalls berücksichtigt werden.

Das Bordpersonal muss über die möglichen Gefahren bei nicht ausreichender Belüftung durch unplanmäßig freigewordene Gase aufgeklärt werden:

  • Im Inneren kann explosionsfähige Atmosphäre vorhanden sein.
  • Acetylen ist nur etwas leichter als Luft, es sammelt sich nur langsam oben.
  • Andere Gase sind meist schwerer, sie sammeln sich unten.
  • Mögliche Zündquellen im Laderaum sind zu vermeiden.
  • Tritt Inertgas bzw. Schutzgas aus, so herrscht im Inneren eine erstickende Atmosphäre.

Gewerbeaufsichtsämter und Berufsgenossenschaften empfehlen als technische Schutzmaßnahmen in solchen Fällen zwei ständig offene Lüftungsöffnungen in der Größe von 1 Prozent der Grundfläche, mindestens jedoch 100 cm² je Öffnung sowohl im bodennahen als auch im deckennahen Bereich und gegenüberliegend angeordnet.

Im ADR 2021 wird eine Klarstellung der Lade- und Handhabungsvorschrift CV 36 nach 7.5 ADR erwartet, die dann neu bei Gastransport eine gasdichte Trennung von Lieferabteil zu Fahrerhaus verbindlich vorsieht. Diese Vorschrift ist auch für nicht kennzeichnungspflichtige Transporte anzuwenden.

Grundanforderungen an Nutzfahrzeuge zur Gefahrgutbeförderung

Nutzfahrzeuge im Einsatz für Gefahrgut müssen eine Bremsausrüstung in Übereinstimmung mit der UN-Regelung Nr. 13 oder der Richtlinie 71/320/EWG bei Zulassung nach dem 30. Juni 1997 aufweisen.

Bei großen Nutzfahrzeugen zur Gefahrgutbeförderung ist ein Geschwindigkeitsbegrenzer in Übereinstimmung mit der UN-Regelung Nr. 89 oder der Richtlinie 92/24/EWG verpflichtend, siehe 9.2.1.1 ADR. Das gilt für alle Nutzfahrzeuge mit einer höchsten Gesamtmasse von mehr als 12 Tonnen mit einer Zulassung nach dem 31. Dezember 1987. Für Nutzfahrzeuge mit einer höchsten Gesamtmasse von mehr als 3,5 Tonnen und höchstens 12 Tonnen gilt dies bei einer Zulassung nach dem 31. Dezember 2007.

InfoTipp zur Auswahl von Fahrzeugen

Vor der Beschaffung eines neuen, gebrauchten oder geleasten Nutzfahrzeuges sind immer auch die Anforderungen durch das zu befördernde Gut zu berücksichtigen. In der Betriebsanleitung des Herstellers werden die von ihm vorgesehenen Güter genannt. Sollen andere Güter transportiert werden, informieren Sie sich über mögliche Nachrüstung von Zusatzeinrichtungen oder wählen Sie ein anderes Modell.

Beispiele für besondere Zusatzeinrichtungen aufgrund spezieller Güter sind

  • Kastenwagen über 3,5 Tonnen, die gelegentlich zum kennzeichnungspflichtigen Gefahrguttransport eingesetzt werden, müssen über einen Geschwindigkeitsbegrenzer verfügen.
  • Bei Werkstattwagen, die Schweißgeräte befördern, ist eine ausreichende Lüftung im Lieferabteil Stand der Technik.
  • Bei Lieferwagen für Sendungen, die mit Trockeneis gekühlt werden, ist eine abgetrennte Fahrerkabine und eine Lüftung im Lieferabteil Stand der Technik.

Weitere Informationen finden Sie hier in unserem "Einkaufsratgeber für gewerblich genutzte Fahrzeuge zur Güterbeförderung der Fahrzeugklassen N2, N3, O".

Zugelassene Fahrzeuge zur Gefahrgutbeförderung

Im Teil 9 ADR sind die Vorschriften für den Bau und die Zulassung der Fahrzeuge (einschließlich Anhänger) zur Beförderung von Gefahrgut in Schüttgutcontainern und ortsbeweglichen Tanks oder festverbundenen Tanks sowie Gefahrgut der Klasse 1 auch in Versandstücken und MEMU und Gefahrgut unter Temperaturkontrolle zusammengefasst.

Für Zugmaschinen sind unter bestimmten Bedingungen erleichterte typgenehmigte Zulassungen möglich. Für vollständige sowie speziell durch Aufbauten vervollständigte Fahrzeuge muss immer ein Nachweis erbracht werden, dass anwendbare Kapitel 9.2–9.8 ADR eingehalten sind. Basis sind die Forderungen der UN-Regelung Nr. 105 (Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung von Fahrzeugen für den Transport gefährlicher Güter hinsichtlich ihrer besonderen konstruktiven Merkmale).

Unterschieden werden folgende Typen

Typ Zulassung für

EX/II EXIII

Klasse 1:  Explosive Stoffe oder Gegenstände mit Explosivstoff

FL

  • flüssige Stoffe mit Flammpunkt bis zu 60 °C
  • entzündbare Gase je nach Behälter ab verschiedenen Mengen
  • Wasserstoffperoxid, wässrige Lösung, stabilisiert, mehr als 60 % Gehalt, UN 2015

AT

Tankfahrzeuge für andere Produkte in

  • festverbundenen Tanks, Aufsetztanks oder Batteriefahrzeugen mit mehr als 1 m³ Fassungsvermögen
  • Tankcontainer, ortsbewegliche Tanks oder MEGC mit mehr als 3 m³ Fassungsvermögen

MEMU

Mobile Einheit zur Herstellung von explosiven Stoffen oder Gegenstände mit Explosivstoff

Alle diese Fahrzeuge benötigen eine ADR-Zulassungsbescheinigung vor Inbetriebnahme und eine jährliche technische Untersuchung. Dies dient der Überprüfung, ob die vorgeschriebenen technischen Maßnahmen noch ausreichend wirksam sind.

Der allgemeinen Verkehrssicherheit dienen beispielsweise Anforderungen an die elektrische Ausrüstung, Bremsanlagen, Geschwindigkeitsbegrenzer, Verbindungseinrichtungen des Anhängers. Daneben werden noch Anforderungen zur Verhütung von Feuergefahren gestellt und spezielle auf Gefahrgutklasse oder Umschließungsmittel zielende Anforderungen.

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